Innovation, Zukunftsforschung und praktische Anwendung

27.03.2018
Wie kann ich innovativer arbeiten? Was muss ich tun, um meine Produkte schneller und besser auf den Markt zu bringen? Wo gibt es noch Verbesserungsbedarf?

Fragen wie diese beantworten die Popup-Labore der Landesregierung. Wir waren beim ersten Popup-Labor in Schwäbisch Gmünd dabei.

Eule Gmünder Wissenswerkstatt, ein modernes zweigeschossiges Gebäude direkt neben dem Bahnhof in Schwäbisch Gmünd. Die Außenwand aus modernem Sichtbeton ist mit großen, hellen Farbstreifen in grün und blau verziert. Normalerweise lernen hier Kinder und Jugendliche in mehreren, gut ausgestatteten Werk- und Seminarräumen technisch-naturwissenschaftliche Fertigkeiten und werden so an berufliche Perspektiven herangeführt. Heute sitzen im zweiten Stock circa 15 Erwachsene an einem Tisch, und machen sich eifrig Notizen.

Vorne steht Florian Semle, Unternehmensberater und Trainer für digitalen Dialog, und erklärt den Teilnehmern Social Media sowie digitales Marketing für Anfänger und Fortgeschrittene. Redebeiträge von ihm wechseln sich ab mit Übungen für die Teilnehmer. Welches Social-Media-Tool ist für mich oder meine Firma am besten geeignet? Wie viel Aufwand ist es, eine gelungene Präsenz dort zu erhalten? Was sind die Kosten? Eine Graphical Recorderin dokumentiert den Prozess derweil live in Bild und Schrift auf einem Whiteboard.

Veranstaltungsreihe der Landesregierung

Semle und die 15 Personen sind alle Teilnehmer des ersten Popup-Labors der Landesregierung. Vom 23. Februar bis zum 2. März fand es in der „Eule Gmünder Wissenswerkstatt“ in Schwäbisch Gmünd im Ostalbkreis statt. Das Popup-Labor ist das erste einer Reihe an Veranstaltungen, die die Landesregierung Baden-Württemberg zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart ausgedacht hat. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in der Region sollen hier bei zahlreichen Vorträgen und Workshops Inspiration finden, um besser und schneller auf dem Markt zu bestehen. Das Format ist angelehnt an das Konzept eines „Pop-up-Stores“, vom englischen „to pop up“ – „plötzlich auftauchen“, bei dem ein Verkaufsstand oder Laden kurzfristig und zeitlich begrenzt „aufpoppt“.

„Das Popup-Labor ist unser praxisnahes und unkompliziertes Angebot an kleine und mittelgroße Unternehmen, eigene Innovationspotenziale anzukurbeln“, erklärte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut bei der Eröffnung des Popup-Labors. Hintergrund des neuen Angebots sind Analysen, dass insbesondere im Mittelstand die Innovationsdynamik nachlässt. Die Landesregierung will deshalb mit den Popup-Laboren die Innovationsfähigkeit des Mittelstands in Baden-Württemberg weiter verbessern.

Aus dem digitalen Dornröschenschlaf erwachen

„Überlegen Sie bei jedem Tool, ‚wie kann ich das in meinen Arbeitsalltag integrieren?‘“, erklärt Seminarleiter Semle. „Dann probieren sie es aus und sehen, was läuft, und was nicht läuft. Social Media ist immer ‚Try and Error‘. Im besten Fall betreiben Sie Netzwerkpflege an der Bushaltestelle.“

„Ein Blog über die Arbeit der Firma ist immer mit hohem Aufwand verbunden und eignet sich besonders für Nischenprodukte“, erklärt er weiter. Wer mit Design arbeitet, für den eignet sich alles mit Bildern. Eine Teilnehmerin berichtet von eigenen Erfahrungen: Sie benutzt das Karrierenetzwerk Xing für die Akquise von Kunden. Welche Mitarbeiter in anderen Unternehmen können ein potentieller Kunde sein? Dann verschickt sie eine Freundschaftsanfrage und schon ist der Kontakt hergestellt. „Das ist ein bisschen wie ein modernes Telefonbuch“, sagt sie. Aber weniger aufdringlich.

„Mein Eindruck ist, dass gerade die deutsche Wirtschaft im Dornröschenschlaf ist, was die digitale Vermarktung angeht. Hier wurde vieles erfunden, aber das Geschäft läuft woanders“, sagt Semle. Deshalb seien solche Veranstaltungen wie das Popup-Labor wichtig, besonders für kleine und mittlere Unternehmen.

45 unterschiedliche Veranstaltungen innerhalb einer Woche

Diese nehmen das Angebot gerne an, erklärt Norbert Fröschle vom Fraunhofer Institut, der das Popup-Labor betreut und kuratiert. Beim Popup-Labor in Schwäbisch Gmünd gab es Veranstaltungen zu allen möglichen Themen. Besonders beliebt waren aber diejenigen, die sich mit dem digitalen Wandel auseinandergesetzt haben.

Im Vorfeld wurde das Programm auf die Wünsche und den Bedarf der regionalen Unternehmen zugeschnitten. Es lief über die gesamte Woche, insgesamt 45 Veranstaltungen, jeweils drei pro Tageshälfte. Unternehmen wurden mit geeigneten Partnern für Innovationskooperationen zusammengebracht. Es gab Crash-Kurse zu Design Thinking und anderen agilen Innovationsmethoden, oder auch Workshops zu kundennutzenorientierter Innovation. Zudem wurden praxisnahe Lösungen, wie beispielsweise digitales Aufmaß, vorgestellt oder Apps live entwickelt. Zur Sonderveranstaltung „Automotive Forum“ kamen 150 Personen, erzählt Fröschle. Am Sonntag war Familientag, bei dem auch die Kleinsten erste Ingenieurs-Erfahrungen sammeln durften und zum Beispiel ein Holzauto bauten.

Kostenlos und vor Ort

„Für die Firmen besonders wichtig war, dass die Veranstaltungen kostenlos und relativ kurz sind. Da gehen nicht mehrere Tage flöten, sondern nur ein Vormittag“, schildert Fröschle die Vorteile des Formats. Außerdem entfallen lange An- und Abreisewege, da das Popup-Labor vor Ort in der Region stattfindet. Das mache die Teilnahme noch leichter. Allerdings hat das zur Folge, dass der Einzugsraum und damit die Teilnehmerzahl begrenzt sind. „Das macht aber nichts, wir wollen lieber einen kleinen Kurs, der dafür aber fachlich intensiv ist.“

Kerstin Boi von Netkom BW findet die Veranstaltung super. Ihre Firma ist für den Internetausbau in Baden-Württemberg zuständig, da gibt es viele Anknüpfungspunkte. Ein Kollege war schon bei einem anderen Workshop und hier, beim Social-Media-Workshop, will sie sehen, was sie für ihren Arbeitsalltag nutzen kann. Beschwerdemanagement wahrscheinlich, sagt sie mit einem Lächeln. Da hat Seminarleiter Florian Semle einen Tipp: „Sich um ein Problem kümmern, ist im Krisenfall das Wichtigste.“

Die Arbeitswelt von morgen

Das Popup-Labor bietet den Teilnehmern nicht nur konkrete Hinweise, sondern auch theoretischen Input. So erarbeitete zum Beispiel der Workshop „New Work“ vom Fraunhofer Institut zusammen mit dem Design und Research Lab der Universität der Künste in Berlin Ideen, wie denn die Arbeitswelt von morgen aussehen könnte. Stichworte Flexibilisierung der Arbeitswelt und Arbeiten von zuhause. Lisa Fischer, Doktorandin an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Hall, forscht selbst zum Thema Didaktik 4.0, und da biete das Popup-Labor viele Anknüpfungspunkte, sagt sie. „Wichtig ist, dass wir Arbeit neu denken und uns von alten Prozessen lösen, um so neue Ideen und Innovationen zu erkennen“, ist Lisa Fischer überzeugt. Das jedenfalls nehme sie von dem Seminar mit.

Birgit Preuß-Scheuerle ist selbstständig und gibt Personalentwicklungsseminare. Sie unterrichtet hier Methoden der Großgruppenmoderation, wenn auch im kleinen Rahmen. „Das Popup-Labor ist ein ganz großartiges Konzept, das sich hoffentlich fortsetzt“, sagt sie. Ihr gefällt die Idee, Wissen kompakt und vor Ort anzubieten, wo es gebraucht wird. Als Referentin habe sie der experimentelle Charakter angesprochen, die Mitarbeiter der Firmen können sich direkt austauschen und voneinander lernen.

Das Popup-Labor in Schwäbisch Gmünd war als erster Testlauf gedacht. Für den Sommer ist ein zweites Popup-Labor in der Ortenau geplant. Der bisherige interdisziplinäre Ansatz aus Unternehmen, Forschung und Anwendung soll beibehalten werden. Was für Lehren gibt es trotzdem für Popup-Labor Nr. 2? „Diejenigen KMU, die Innovation und Digitalisierung weit oben auf ihrer Tagesordnung haben, konnten wir direkt erreichen. Für diejenigen KMU, die auf der Suche sind, werden wir gemeinsam weitere Interaktions- und Mitmachformate mit Nutzwert entwickeln“, sagt Fröschle.

Mehr: baden-wuerttemberg.de

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